Fallout 4

War never changes...

(Gastbeitrag von Julian Bansen)

Fünf lange Jahre ists her seitdem Fallout: New Vegas das Licht der Gaming-Welt erblickt hat. Jetzt ist der lang erwartete Nachfolder endlich hier. Hält Bethesdas Wunderkind auch dieses Mal was es verspricht?

Die Vereinigten Staaten im Jahre 2077. Als die ersten Atombomben über Massachusetts explodieren, flüchten die Menschen in die von Vault-Tec betiebenen Atomschutzbunker um der Vernichtung zu entgehen. Darunter auch der ungenannte Held dieser Geschichte und seine (oder ihre) Familie. Nach mehr als zwei Jahrhunderten im Tiefschlaf wacht er auf und verlässt den Bunker. Was er auf der Oberfläche vorfindet ist eine vom Krieg verwüstete (und oft gewollt komische) postapokalyptische Welt, bevölkert von den Nachvolgern der Überlebenden und von der Radioaktivität erschaffenen Monstern aller Art.

Ohne zu viel über die Geschichte zu verraten, macht sich der Held jetzt im radioaktivem Ödland auf die Suche nach seiner verlorenen Familie. Ganz traditionel sammelt der Spieler wieder Erfahrungspunkte um seinen digitalen Avatar vom Milchbubi zum Überlebenskünstler wachsen zu sehen. In diesem Spiel passiert das hauptsächlich durch sogenannte ‚Perks‘. Mit jeder neuen Erfahrungsstufe gibt es einen Punkt, den mach in fast überweltigende Zahl verschiedener Fertigkeiten investieren kann. Von Überredungskunst und mehr Waffenschaden zum Tierflüsterer und „Mysteriösen Fremden“ sind viele aus den Vorgängern bekannte Perks wieder mit von der Partie.

Ödland oder ödes Land?

In altbekannter Open-World-Manier bietet Fallout 4 etliche Quadratkilometer frei begehbares Terrain an. Naja, zumindest frei begehbar für alle, die ’ne große Bleipuste dabei haben, um die Horden an Monstern und Banditen auf Distanz zu halten. Anders als in den früheren Fallout-Spielen trifft man allerdings in der Spielwelt fast nur noch auf die „guten“ Jungs (Siedler, Bruderschaft, Stadtbewohner) und die „bösen“ Jungs (Banditen, Söldner, Supermutanten, etc). Die bösen Jungs verlieren auch keine Zeit, den Spieler mit tonnenweise Blei einzunebeln. Neutrale Gruppen wie die kleineren Räuberbanden aus Fallout: New Vegas gibt es kaum noch, was die sozialen Interaktionen außerhalb der kleinen Siedlungen leider auf schnippische Kommentare und große Geschosse reduziert.
Besucht man dann diese Siedlungen, geben die meisten NPCs nur ein paar Worte von sich, wenn man sie anspricht. Tatsächliche Gespräche gibt es nur noch für Questgeber und ein paar andere Figuren. Sobald der entsprechende Quest abgeschlossen ist, verfallen die Charaktere meißt wieder in ihre armselige Existent als Platitüdenverteiler. Diese Simplifizierung geht Hand-in-Hand mit dem neuen Dialogsystem, welches dem Spieler in Gesprächen immer exakt vier Antwortmöglichkeiten bietet. Überlicherweise lauten diese Möglichkeiten wie folgt: Ja / Nein / Vielleicht / Sarkastisch. Oft sind die Beschreibungen so kurz gefasst, dass der eigentliche Sinn der Antwort verloren geht.
Besonders tragisch sind diese Einsparungen für das runde dutzend Begleiter, die man in den Ruinen der Großstadt aufreißen kann. À la Dragon Age kann sich der Spieler mit diesen Figuren anfreuden und mehr über sie lernen. Im Gegensatz zu dem Rollenspielkönig Bioware, hat Bethesda den Dreh aber nicht ganz raus, denn außer einem speziellen Quest und ein paar Gesprächen, die an bestimmten Punkten auf der „Freundschaftsskala“ freigeschaltet werden, sind die Begleiter kaum redefreudiger als die oben genannten NPCs. Schade, denn dieser bunte Haufen ist voll mit großartigen Charakteren und einigen der besten Quests, die Fallout 4 aufzubieten hat.
Es scheint, als ob Bethesdas Schreiberteam nicht mit der riesigen Spielwelt klar gekommen ist – zumindest nicht so gut, wie in früheren Titeln. Neben dem stark zurechtgestutzten Dialogen sind auch die meißten Quests nicht grade einfallsreich. Zu viele Aufgaben enden darin, einfach nur ein Gebiet von Gegnern zu säubern oder einen bestimmten Gegenstand aus deren Händen zu entwenden (was in beiden Fällen aber aufs selbe hinausläuft – viel Rumgeballer). Auch die Hauptgeschichte ist eher unglaubwürdig und dient mehr dazu, den Spieler durch die Welt zu lotsen.

Kaum einer wird frühere Fallout Spiele wohl nur wegen der Story gespielt haben, doch für diesen Teil gilt die Warnung doppelt: Story- und klassische Rollenspiel-Fans kommen hier nicht auf ihre Kosten.

Sim City

Im Verlauf des Spiels kann der Spieler diverse kleine Siedlungen und die darin lebenden Menschen für sich gewinnen. Mit dem brandneuen Bausystem kann man dann den ganzen Müll in den Siedlungen verschrotten und in neue Hütten und Verteidugungsanlagen investieren. Darüberhinaus müssen Ihre Fallout-Sims gut versorgt werden. Für den Spieler heißt das: Betten bauen, Rüben pflanzen, Wasserpumpen installieren. Kompliziertere Einrichtungen wie Lasertürme oder Stormgeneratoren benötigen oft Komponentent, die sich in der Siedlung nicht finden lassen. Dies gibt dem ganzen Schrott, den man in der Fallout-Welt finden kann, endlich eine Bedeutung. Konservendosen liefern Metalle, Oma’s altes Geschirr besteht aus Keramik, Telefone geben Elektronikteile her. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, kann wiederverwertet werden.

Trotz des recht umfangreichen Siedlungs-Managements, fehlen leider die richtigen Werkzeuge dafür. Da Fallout 4 in erster Hinsicht ein First-Person-Shooter ist, stellt es sich oft als umständlich raus, Gebäude oder Gegenstände genau wie gewollt zu platzieren. Auch fehlen viele Statistiken, die das Leben einfacher machen würden. So kann man beispielsweise nicht sehen, wie hoch der Stromverbrauch einer Siedlung ist, oder welche Siedler in ihr Leben.

Wo wir gerade bei der Benutzeroberfläche sind: diese verdient eine besondere Anmerkung – und leider keine positive. Seit Fallout 3 hat sich nicht viel geändert. Der Inventarbildschirm sieht immernoch so aus, wie ein Computerprogramm aus den Achtzigern. Die Namen von vielen Waffen und Rüstungen können nicht einmal richtig dargestellt werden, da sie zu lang sind. Die Minimap ist nach vierzig Stunden Spielzeit so mit Markern gefüllt, dass man stellenweise kaum noch die Landkarte sehen kann. Der visuelle Stil von Fallout ist schon fast Kult, von einer millionenschweren Spieleschmiede sollte man aber doch erwarten dürfen, dass sie eine Benutzeroberfläche erschaffen können, die stilgerecht und benutzerfreundlich zugleich ist.

Auch das navigieren von Computerterminals mit der Maus ist im besten Fall als umständlich zu bezeichnen. Dies und viele andere Kleinigkeiten machen es offensichtlich, dass das User-Interface hauptsächlich für Gamepads gemacht wurde. Ein Lichtblick ist aber die Moddingszene, die jetzt schon fleißig dabei ist, einige der Probleme auszubügeln. Schade allerdings, dass Bethesda das nicht selber hat machen können.

Bugs, Bugs, Bugs!

Mutierte Riesenfliegen sind nicht die einzigen Käfer, mit denen man zu kämpfen hat. Kleine und große Bugs finden sich an jeder Ecke. Hier bleibt mal ein Gegner in der Wand stecken, dort verschwindet wie Waffe des Spielers bis man sie neu ausrüstet. Besonders ärgerlich sind Bugs, die den Ablauf von Quests stören – und auch die sind nicht selten zu finden. Bisher hat sich noch jedes Problem mit dem Neuladen des letzen Speicherstands lösen lassen, aber besonders viel Vertrauen flößt das nicht ein.

Die schiere Vielzahl und Häufigkeit dieser kleinen Bugs macht sie zu einer größeren Plage als die vereinzelten Crashes, die sich hin und wieder bemerkbar machen. Der Entwickler hat schon Patches zur Abhilfe versprochen, aber wer Bethesdas Spiele kennt, wird wohl auch wissen, dass dies ein sehr langer Prozess sein wird.

Viele bunte Bildchen.

Grafisch ist Fallout 4 nun keine Meisterleistung. Textur- und Modeldetails lassen zu wünschen übrig und die künstlich anmutenden Charakteranimationen passen eher zu einem Spiel aus dem Jahre 2008. Grund dafür ist die betagte Spiele-Engine, die Bethesda schon in Fallout 3 eingesetzt hat. Leider bedeutet das auch, dass die häufigen Ladesequenzen beim Betreten und Verlassen von Gebäuden auch in diesem Fallout-Spiel wieder mit von der Partie sind und, aufgrund der immensen Spielgröße, für unangenehm lange Ladezeiten sorgen.

Ein kleiner Wehrmutstropfen sind die absolut umwerfenden Explosionen. Wenn sich ein selbstmörderischer Supermutant mit einer Atombombo unterm Arm in eine Gruppe Räuber wirft, lässt die resultiere Explosion andere AAA-Spiele blass aussehen. Auch bei anderen Spezialeffekten wie Laserstrahlen und Granaten macht die alte Grafikengine noch eine gute Figur. Zumindest bei Feuergefechten kann man also die verwaschenen Texturen schnell mal vergessen.

Fazit

Fallout 4 ist sehr ungehobelt, was typisch für Spiele aus dem Haus Bethesda ist, aber immer wieder aufs neue ärgerlich. Die Vielzahl kleinerer Bugs schaden dem Spielspaß dabei mehr als die paar richtig großen. Eigentlich wollte ich auf Grund der vielen Problemchen mehr Punkte von der Endnote abziehen, aber letztenendes muss ich zugeben, dass Fallout 4 auch in diesem Zustand einfach einen Heidenspaß macht.

(Geschrieben von Julian B.)

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Das Urteil

8.0Sehr gut

Das Gute: – Eine komplett neue, riesige Welt zum erkunden
– Bester Shooter der Fallout-Serie
– Die ersten Mods sind schon unterwegs

Das Schlechte: – Bugs, Bugs, Bugs.
– Rollenspiel-elemente stark reduziert
– Wenig Innovation

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Julian

Liebt und lebt Videospiele, unterzieht sie Härtetests und streamt auch gerne mal.
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Julian

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1 Kommentar

  1. Dennis Januar 18, 2016 8:08 am  Antworten

    Ein fairer Test, der die wesentlichen – und guten – Eigenschaften hervorhebt! Top!

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